In der aktuellen Print-Ausgabe der Freizeit im Sattel (fs 09/2002, pp. 50-54) berichtet Hardy Oelke (siehe unten), der uns schon auf den meisten Internetseiten zu den portugiesischen Wildpferden, den Sorraias, sowie in der Pferdezeitung beim Rasseportrait zu den Sorraias begegnet ist, von neuen Forschungsergebnissen. Es sind Ergebnisse einer molekularbiologischen Untersuchung von Thomas Jansen und anderen*. Diese basieren auf einem Vergleich der - über die Mutterlinie vererbten - mitochondrialen DNA von 654 verschiedenen Pferden.
Ohne jetzt auf die wissenschaftliche Methode näher
eingehen zu wollen, kann zur Kenntnis genommen werden, daß 96 verschiedene
mtDNA-Typen gefunden wurden, die sich zu 17 Knoten gruppierten. Alle Pferde
eines Knotens sind daher miteinander genetisch verwandt. Darüber hinaus
wurde festgestellt, daß diese verschiedenen Knoten schon aus der
Zeit vor der Domestizierung stammen.
Das heißt: Unsere Hauspferde gehen auf verschiedene
Wildpferde(unterarten) zurück! Und ihre Domestikation ist an verschiedenen
Orten und zu verschiedenen Zeiten durchgeführt worden.
Von den gefundenen mtDNA-Mustern gehörten drei genetisch eng zusammen liegende zum Mongolischen Wildpferd, aber keines dieser Muster findet sich bei unseren Hauspferden!
Einem Knoten entsprachen Ponys der Rassen Exmoor, Fjord, Isländer und Highland. Allerdings fanden sich bei den Isländern vereinzelt auch andere Genotypen, beispielsweise iberische, woraus geschlossen werden kann, daß die Isländer keineswegs so "reinrassig" sind wie immer angenommen.
In dem "iberischen" Knoten sammelten sich Lusitanos, Andalusier und Berber. Erstaunlich ist hier dreierlei: 1. Die Sorraias finden sich in einem anderen Knoten wieder, d.h. sie haben die iberischen Pferde sicherlich beeinflußt, sind aber nicht deren direkte Vorfahren. 2. Araber und Berber sind keine engen Verwandten, der Berber hat vielmehr mit den iberischen Pferden einen gemeinsamen Vorfahren! 3. Neun von zehn der in die Untersuchung einbezogenen Dülmener entsprachen dem iberischen Genotyp, d.h. der anfängliche Stutenkern muß überwiegend iberischer Abstammung gewesen sein.
Außerdem wurde herausgefunden, daß der mtDNA-Typ der Sorraias auch bei den meisten Koniks gefunden wurde (allerdings macht die geringe Zahl untersuchter Koniks diese Aussage empirisch noch nicht sicher). Das würde heißen, daß nicht nur Koniks, sondern auch Sorraias Tarpan-Nachfahren sind. Völlig erstaunlich ist, wie sich diese kleine Gruppe von "Tarpanen" auf der von iberischen Pferden besiedelten Südhälfte der iberischen Halbinsel hat halten können.
Noch eine feste Züchterüberzeugung (wie bei den Isländern) gerät ins Wanken: Der Inbegriff der Reinzucht, das Arabische Vollblut, hat keine eindeutig zuzuordnende mtDNA aufweisen können! Allerdings findet sich die bei den Kaspischen Pferden gefundene mtDNA auch bei Arabern, die also von den Kaspiern abstammen könnten.
Eine besondere Rolle scheinen genetisch - für mich extrem überraschend - die Senner zu spielen: Der mtDNA-Typ der Senner findet sich fast (was auch immer das heißen mag) nur bei ihnen. Und angesichts der Tatsache, daß es sich bei den Sennern um eine in der Regel auch unter Pferdeleuten ziemlich unbekannte deutsche Wildpferderasse handelt, beheimatet in Westfalen, kann man sich schon wundern.
Sowohl die Ergebnisse zu den Sorraias und Koniks als auch
zu den Sennern machen noch einmal äußerst dringlich klar, wie
wichtig es für uns sein muß, solche vom Aussterben bedrohte
(Haus-)Pferderassen - die sich biologisch nicht nur als Rasse, sondern
als Unterart erweisen - um jeden Preis zu erhalten! Das gilt für den
Senner besonders, weil sonst eine ganze Unterart unwiederbringlich verschwindet;
und für die Sorraias, weil sie nicht nur eine Haustierunterart sind,
sondern ein Urwildpferd, wenn auch keine (uns derzeit bekannte und auf
diese Frage hin untersuchte) Hauspferderasse von ihm abzustammen scheint.
Alles in allem bestätigt die aktuelle Untersuchung
die Thesen von Speed
und Ebhardt, die - zoologisch nicht korrekt als Unterarten, sondern als
Typen bezeichnet - verschiedene Abstammungsgruppen in Typen geordnet hatten.
Interessant wird werden, wenn die überraschenden Ergebnisse mit weiteren
Forschungen untermauert und weiter differenziert werden.
Also: Ein ganz herzliches Dankeschön an die Forschergruppe!
Warten wir gespannt auf weitere Überraschungen!
P.S.: Der Artikel in der fs bietet über den Text
hinaus erstaunliche Fotos von Sorraias, einem Konik, einem falbfarbenen
Lusitano und einigen Exmoors.
P.P.S.: Von Hardy Oelke gibt es einige interessante Websites
zu den Sorraias, beispielsweise
www.sulphurs.com/hardy.htm
www.premierpub.com/books/inprint/born_survivors.htm
members.aol.com/oehorse/1/
www.conquistador.com/survivors.html
sowie zu den neuen Ergebnissen - allerdings (nur) bezogen
auf die Sorraias: www.equiworld.net/uk/horsecare/Breeds/sorraia/
und www.equiworld.net/en/breeds/sorraia/
*Jansen, Forster, Levine, Oelke,
Hurles, Renfrew, Weber, Olek, "Mitochondrial DNA and the Origins of the
Domestic Horse", Proc. Natl. Acad. Sci., USA, 99 (16), 10905-10910 (2002)
URL: www.wilde-pferde.de/forsch.html; Stand: 23.08.2002; Verantwortlich:
Katinka Lutze & Thomas Klein: gata
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