a) Quantitatives: Fotos, Preis-Leistung, Seitenzahl, Größe
Das Buch enthält ein paar Schwarz-weiß-Fotos und Zeichnungen. Es ist etwa DIN A 5 groß und hat 226 Seiten. Es kostet 39 DM. Es ist kartoniert (wie ein Taschenbuch mit glänzendem Einband) und gut gebunden (es läßt sich aufschlagen, ohne daß Seiten herausfallen).
b) Schwerpunkte inhaltlich (z.B. Adressaten-Klienten, therapeutische Ausrichtung, Adressaten des Buches)
Das hier vorliegende Buch ist in drei Teile aufgeteilt, die jeweils verschiedene Lesergruppen als Adressaten haben.
Der erste Teil beschäftigt sich mit der Zusatzausbildung im Bereich des heilpädagogischen Reitens und Voltigierens in den drei deutschsprachigen Ländern Deutschland, Schweiz und Österreich und ist damit eindeutig an an diesem Berufsfeld Interessierte gerichtet.
Der zweite Teil beschreibt die Bedingungen, die mit der Auswahl und Haltung sowie mit Ausbildung und Beschäftigung des in der Therapie eingesetzten Pferdes zusammenhängen und richtet sich somit auch an Personen, die an diesem Berufsfeld interessiert sind oder schon darin arbeiten, ist aber ebenso interessant für Züchter oder Pferdehalter, die überlegen, ein Pferd zur heilpädagogischen Arbeit zur Verfügung zu stellen.
Der dritte Teil bietet eine sehr umfangreiche Sammlung von Praxisfeldern im Bereich des heilpädagogischen Reitens und Voltigierens. Dieser Teil dürfte für alle überhaupt am Thema interessierten Menschen wichtig sein. Fachleute ebenso wie Eltern oder Klienten selbst profitieren von diesem Überblick über verschiedene Schwerpunkte und Möglichkeiten.
In Bezug auf die Klienten ist keine Einschränkung, aber auch keine besondere Orientierung vorgegeben. Im Zusammenhang mit den Praxisfeldern werden die jeweiligen Schwerpunkte der einzelnen Autoren genannt.
Eine Einordnung bezüglich der therapeutischen Ausrichtung erscheint mir aufgrund des Übersichtscharakters des Buches nicht möglich. Bei der Darstellung der einzelnen Praxisfelder wird diese natürlich jeweils mehr oder weniger deutlich.
c) Stil, Besonderheiten
Auch der Stil des Buches ist in den drei Teilen sehr unterschiedlich und variiert zusätzlich im dritten Teil von Beitrag zu Beitrag.
d) Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur 1. Auflage. Von Hajo Riesser ... 11
Vorwort zur 2. Auflage. Von Marianne Gäng ...
12
Teil I- Die Ausbildung zum Reit- und/oder Voltigierpädagogen
in Deutschland, der Schweiz und Österreich ... 17
Vorbemerkung. Von Bernhard Ringbeck ... 18
Ausbildungsübersicht: Deutschland. Von Bernhard Ringbeck
...
19
Ausbildungsübersicht: Schweiz. Von Marianne Gäng
...
25
Ausbildungsübersicht: Österreich. Von Gundula Hauser
...
29
Vorbereitung auf die Lehrgänge/Literatur. Von Bernhard
Ringbeck ... 31
Gedanken zur Ausübung dieses Berufes. Von Marianne Gäng
...
32
Hilfen zur selbständigen oder angestellten Berufsausübung.
Von
Renate Jurklies ... 35
Teil II: Das Pferd und sein Einsatz in der heilpädagogischen Arbeit ... 37
Das Pferd im Heilpädagogischen Reiten. Von Marcel Jenzer ... 38
Heilpädagogisch-psychomotorische Aspekte der vorschulischen
Förderung mit Hilfe des Pferdes. Von Marietta Schulz
...
80
Durchführungsbedingungen ... 102
Wirkfaktoren im Umgang mit dem Pferd ... 103
Heilpädagogisches Reiten und der Umgang mit dem Pferd als
Interventionsmöglichkeit bei Familienkrisen. Von Renate
Jurklies ... 119
e) Klappentext des Verlages
Dieses Buch informiert über die Ausbildung und Berufsausübung des Reit- und Voltigierpädagogen und über die Besonderheiten, die Auswahl und Eignung entsprechender Pferde. Darüber hinaus stellt das Autorenteam Weiterentwicklungen des Heilpädagogischen Reitens aus der Praxis vor und erläutert neue Anwendungsgebiete.
Die 2. Auflage ist um einen Artikel über das notwendige medizinische Grundwissen erweitert.
f) Inhaltliche Zusammenfassung bzw. Anmerkungen zum Inhalt:
Teil I:
Der erste Teil beginnt mit einer übersichtlichen Darstellung der Ausbildungsgänge in Deutschland, Österreich und der Schweiz, ihren Voraussetzungen, der Lerninhalte und Anerkennungsmöglichkeiten sowie Kontaktadressen.
Schade ist allerdings, daß die Angaben über die als Voraussetzung zur reittherapeutischen Zusatzausbildung genannten reiterlichen Qualifikationen nicht auf dem neuesten Stand sind, da sich seit 1998 doch noch einiges geändert hat (insbesondere sind mit der Einführung der "Trainer"-Grade die Bezeichnungen vereinheitlicht worden); so ist als reiterliche Voraussetzung inzwischen auch die Trainer-C-Lizenz im Westernreiten möglich.
Eine gewisse Einseitigkeit, die aber leider in allen Publikationen - Print und online - zu finden zu sein scheint, sorgt dafür, daß jeweils nur die Ausbildung wiedergegeben wird, die der jeweilige Autor vertritt; für Deutschland bedeutet das, daß die Ausbildung des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten geschildert wird, nicht aber beispielsweise die des Förderkreises Therapeutisches Reiten und andere; für die Schweiz bedeutet es, daß Frau Gäng die Ausbildung durch die Schweizer Gruppe Therapeutisches Reiten wiedergibt, die sie selbst organisiert, die erwähnte geänderte Ausbildung der Schweizerischen Vereinigung für Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren ... Das gleiche gilt für die Literaturliste, die der Vorbereitung dienen soll und sieben Titel umfaßt. Ich finde das deshalb ausgesprochen ärgerlich, weil die Freiheit des an der Weiterbildung Interessierten dadurch erheblich eingeschränkt wird, obwohl man doch bei ausgebildeten Pädagogen die Fähigkeit für eine selbsttätige Entscheidung überForm und Ort der eigenen Ausbildung eigentlich erwarten könnte, oder?
Sehr gut sind die Abschnitte, die über die Motivation und Vorstellungen zukünftiger Reitpädagogen berichten, sowie eine Liste als Denkanstoß, die wichtige Aspekte der Rahmenbedingungen abfragt, auf deren Basis die Realisierungsmöglichkeit angestellter oder selbständiger Tätigkeiten hinterfragt werden kann.
Teil II:
Der Abschnitt, der sich mit der Auswahl des geeigneten Therapiepferdes befaßt, bezieht sich explizit auf das Pferd, das im heilpädagogisch orientierten Reiten und Voltigieren eingesetzt werden soll, und macht deutlich, daß angenehm und leicht zu sitzender Gang gegenüber dem weit ausschreitenden Sportpferd zu bevorzugen ist. (Das ist gut, weil viele andere Veröffentlichungen die Beschreibung des Pferdes aus der Hippotherapie übernehmen.) Selbstverständlich wird auch der Charakter des Pferdes dargestellt. Darüber hinaus werden auch die exterieurmäßigen Anforderungen an zukünftige Therapiepferde insbesondere hinsichtlich ihrer Fähigkeit, (schlecht ausbalanciertes) Gewicht zu tragen und mit der Hinterhand aufzunehmen, sehr gut beschrieben und erklärt.
Den größten Umfang innerhalb des zweiten Teils nimmt die Beschreibung der Körper- und Bodenarbeit (nach Tellington-Jones) am Pferd ein. Beide Methoden werden in ihrer Wichtigkeit sowohl bezüglich der Ausbildung des Pferdes als auch im Hinblick auf die Nutzung als Maßnahmen innerhalb des heilpädagogischen Reitens zusammen mit gezieltem Beobachten des Pferdes geschildert. Für die Ausbildung des Pferdes wird lediglich versichert, wie wichtig sie ist, für die weiteren Inhalte wird auf die einschlägige Literatur verwiesen. Die Hereinnahme in die Therapie wird an vielen gut gewählten Beispielen verdeutlicht. Manchen Kindern kann ein tiefes beziehungsgestütztes Kennenlernen des Pferdekörpers und seiner Funktionen mehr bei der eigenen Körperwahrnehmung, des Verstehens funktioneller Störungen (vgl. Atem- und Sprechprobleme, Gehen u.a.) etc. helfen als das Reiten ohne intensive (u.U. mehrere Sitzungen dauernde) vorhergehende Kontaktaufnahme. Insbesondere erfolgreiches Führen oder Meistern von Hindernissen (Tonnen, Stangen oder natürliche Hindernisse) kann große psychische Wirkungen in Form von wachsendem Selbstbewußtsein, klarer Entscheidungskraft und der Fähigkeit, komplexe Handlungsabläufe zu strukturieren, zu planen und durchzuführen, bewirken.
Teil III:
Der erste Artikel des dritten Teils beschäftigt sich mit der heilpädagogisch psychomotorischen Förderung von Kleinkindern. Sehr differenziert werden sowohl die bekannten Kritikpunkte (genügend andere Fördermöglichleiten, kleine Kinder können von Eltern getragen werden, das Risiko ist gegeben, kleine Kinder könnten durch das Ausmaß an Bewegung überfordert werden) referiert und beurteilt als auch eine auf diese Kritik bezogene Rechtfertigung hinsichtlich ganz bestimmter Kinder (insbesondere Frühgeborene mit Disbalancen der motorischen Entwicklung, therapiemüde frühbehandelte Kinder, Kinder Berührungsängsten oder autistischen Zügen, erstgeborene behinderte Kinder mit gesundem Geschwister...) formuliert. Die Durchführung solcher Maßnahmen wird im folgenden in ihrer theoretischen Einbettung, aber dennoch praxisbezogen, ausführlich beschrieben.
Der zweite Aufsatz beschäftigt sich mit den Möglichkeiten der regelmäßigen Reflexion im Alltag zur Planung der folgenden Stunde. Vorgestellt wird ein Fragekatalog der Autorin, die mit verhaltensauffälligen Kindern Voltigiergruppen durchführt. Es handelt sich um eine gute lange Fragensammlung. Mir fällt allerdings auf, daß viele negative Fragen (wie "Wurde das Pferd von niemandem geärgert oder gequält?") bzw. Unterstellungen (wie "War ich pünktlich oder mußten die Kinder vielleicht schon wieder auf mich warten?"), überwiegend absolute ja/nein-Fragen, obwohl es mehr/weniger-Fragen sein müßten; vielleicht sollte man sie als polares Einschätzungsdiagramm stellen, um das Mehr oder Weniger deutlich zu machen.
Der folgende Beitrag beschreibt ein an der schulpsychologischen Beratungsstelle Münster seit 20 Jahren bestehendes Angebot einer heilpädagogischen Voltigiergruppe für sechs Grundschulkinder. Genau werden die historische Ausgangssituation, die Voraussetzungen, Erfahrungen mit der Gruppenzusammensetzung, Regeln im Umgang mit dem Pferd und in der Reithalle etc. geschildert.
In einem Beitrag geht es um die heilpädagogisch reittherapeutische Arbeit mit Familien in Krisen. Zunächst werden gegenwärtige Krisentypen beschrieben. Die Autorin legt dabei darauf Wert, genau zu schildern, welche Probleme und Bedürfnislagen in den verschiedenen Fällen vorliegen können. Im Anschluß daran bringt sie Fallbeispiele, die anschaulich den Bezug zu den vorher dargelegten Problemen und reittherapeutischen Anknüpfungsmöglichkeiten sowie der tatsächlichen Therapieverläufe herstellen.
Der Beitrag, der sich mit dem Beziehungsaufbau bei Kindern mit geistiger Behinderung am Beispiel eines autistischen Kindes beschäftigt, ist äußerst realistisch und vorsichtig in der Einschätzung von Wirkungen. Dennoch ist er keineswegs skeptisch im empiristischen Sinne. Die Autorin vermag es dagegen auf vorbildliche Weise, die Entwicklung des Kindes empathisch und genau zu beschreiben, ohne dabei aber spekulative Zusammenhänge zu beschreiben. Dadurch hilft sie der Sache enorm. Darüber hinaus bietet sie auch dem Praktiker die Möglichkeit, ihr detailliert beschriebenes Vorgehen auf mögliche Übertragbarkeit zu betrachten.
Der nächste Aufsatz beschäftigt sich mit dem heilpädagogischen Reiten in der Psychiatrie. Der erste Abschnitt beschreibt bewußt die eingesetzten Pferde sehr ausführlich, da nach Auskunft der Autorin die Literatur zum Thema sich in den letzten Jahren allen anderen Parametern stärker zugewandt hat als den Eigenschaften der Pferde, die in der Therapie eingesetzt werden. Nach der Darstellung anderer Aspekte – insbesondere einer Betonung der Individualität und nicht möglichen Verallgemeinerung der Maßnahmen – folgen zwei ausführlich wiedergegebene Fallbeispiele. Beim ersten werden neben einer Wiedergabe der Ausgangssituation (insbesondere Diagnostisches) ausführliche Überlegungen zur Zielsetzung und der zum Erreichen dieser Ziele gedachten Übungen wiedergegeben. Das zweite Fallbeispiel hingegen schildert eine Therapiestunde mit einer anderen Patientin chronologisch und sehr gut nachvollziehbar; insbesondere wird der Blick des Lesers auf die unspektakulären, kleinen Erfolge gelenkt.
Die beiden nächsten Beiträge befassen sich mit dem Einsatz des Pferdes in der Suchtrehabilitation.
Der erste beschreibt das Projekt Cugnanello in Italien. Hier werden neben den üblichen Reitstunden, einzeln oder in der Gruppe, und der Übernahme von Verantwortung für ein sogenanntes Bezugspferd nach der ersten viermonatigen Eingewöhnungs-Phase auch regelmäßig zweiwöchige Trekkings angeboten, die als Grenzerfahrung konzipiert sind, um die Erfahrungen in der schnell-lebigen Konsumgesellschaft - deren möglicher Ausdruck Sucht ja durchaus ist - zu überschreiten und stärkere Beziehungs- und Selbsterfahrung, auch über Körper- und Bedürfniserfahrung, zu ermöglichen.
Der zweite Beitrag beschreibt die Anwendung des heilpädagogischen Voltigierens in einer Suchtklinik für Frauen. Schwerpunkt ist die Selbsterfahrung, die auch insbesondere eine Verbesserung der Selbstwahrnehmung und der Körperwahrnehmung bewirken soll. Die Autorin geht davon aus, daß das Getragenwerden vom Pferd ein Nachholen des in der Kindheit benötigten Urbedürfnisses befriedigt. Ein besonders interessanter Ansatz ist dabei das von ihr durchgeführte Mutter-Kind-Reiten. Hier können sowohl unbefriedigte mütterliche Grundbedürfnisse als auch die Übertragung dieser Erkenntnisse auf die Bedürfnislage des eigenen Kindes bearbeitet werden. Erleichtert wird diese schwierige Aufgabe dadurch, daß sie nicht abstrakt, im Gespräch, bearbeitet wird, sondern durch unmittelbare eigene Erfahrung, die zudem nicht negativ als Fehlen von Urbedürfnissen, sondern als beginnende Befriedigung dieser Bedürfnisse gemacht werden kann. Zusätzlich erproben Mütter und Kinder miteinander bei Voltigierübungen den Umgang mit Nähe und Distanz, mit Sicherheit, Vertrauen und Selbsttätigkeit, Gemeinsamkeit, Überwinden von Angst etc. Abgerundet wird dieser Beitrag durch eine Erläuterung der eigenen Methodik, ausführliche Erörterungen zu ihren Erfahrungen und den Auswirkungen des heilpädagogischen Voltigierens sowie Anregungen zur Übertragung auf Anwendungsbereiche außerhalb der klinischen Situation und auch außerhalb des Suchtbereichs.
Der folgende Aufsatz beschäftigt sich mit der Elternarbeit beim heilpädagogischen Reiten als Teil der heilpädagogischen Intervention selbst. Die Erörterungen, an welchen Stellen im reittherapeutischen Prozeß und auf welche Art Elternarbeit sinnvoll den angestrebten Prozeß beim Kind zu befördern vermag, sind von systemischen Vorstellungen getragen, die die wesentliche Bedeutung von Eltern für ihre Kinder grundlegen - unabhängig davon, ob Eltern diese Aufgabe u oder schlecht erfüllen .
Der Band endet mit einem Artikel über die Indikationen und Kontraindikationen
des heilpädagogischen Reitens. Dabei möchte die Autorin nicht
die üblichen Kontraindikationen auflisten, wie sie auch von Ärzten
standardmäßig erfragt werden können. Wichtig ist ihr die
Sensibilisierung der Leser für die vielen möglichen Befindlichkeiten,
die vorübergehend oder auch chronisch das heilpädagogische Reiten
beeinflussen können, es aber nicht unmöglich machen müssen.
Jeder Beschreibung sind auch ausführliche Praxistips angefügt.
Beispielsweise gilt es bei einer Nebenhöhlenentzündung oder bei
Blasenentzündung das Traben zu vermeiden, da es Schmerz auslöst;
bei Atemwegsbeschwerden sollte leichtes Reiten an der frischen Luft der
staubigen Halle vorgezogen werden. Auch Rücksicht in Hinsicht auf
die Terminierung (vormittags oder abends) beispielsweise bei depressiven
Verstimmungen ist eine kleine Maßnahme mit großer Wirkung.
Nach diesen einleitenden Beispielen erfolgt eine gründliche Auseinandersetzung
mit häufigen und seltenen akuten und chronischen Erkrankungen. Dieser
Aufsatz ist eine Fundgrube guter Hinweise nicht nur bezüglich KlientInnen
der Reittherapie, sondern ebenso für einen körperbewußteren
und rücksichtsvolleren Umgang eines jeglichen Reiters mit sich selbst,
eigenen Kindern und anderen.